Kritik der Bedürfnisse | Vortrag und Seminar mit Thomas Ebermann in München

Menschliche Bedürfnisse werden seit den 1950er-Jahren im Zusammenhang mit dem Schlagwort von der Konsumgesellschaft diskutiert. In der Umweltdebatte spielen Forderungen nach einem anderen Konsum, weniger Konsum oder gar Konsumverzicht eine große Rolle. Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges forderten Politiker*innen die Bevölkerung auf, weniger zu heizen und Strom zu sparen. Im Hintergrund steht dabei immer die Frage nach wichtigen und nebensächlichen, natürlichen und künstlichen, wahren und falschen Bedürfnissen.

Thomas Ebermann, Kabarettist, Journalist und Buchautor aus Hamburg, zeigt in seiner Kritik der Bedürfnisse, dass diese immer Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse sind, abgesehen von Grundbedürfnissen wie Nahrung, Schlaf und Zuwendung, und eine andere Gesellschaft andere Menschen mit anderen Bedürfnissen hervorbringen würde. 

Der Vortrag mit Diskussion findet am Freitag, 26. Mai 2023, um 20 Uhr im Studio der Aidshilfe in München, Lindwurmstraße 71, Nähe U-Bahn Goetheplatz, statt.

Dazu gibt es ein Seminar zur Vertiefung mit gemeinsamer Lektüre am Samstag, 27. Mai, im Bootshaus der Naturfreunde, Zentralländstraße 16, Nähe U-Bahn Thalkirchen/Tierpark. Bei den Naturfreunden ist Biergartenbetrieb.

Für die Teilnahme am Seminar ist eine Anmeldung unter politische.bildung@bildungswerk-bayern.de erforderlich.

Veranstalterinnen: DGB-Bildungswerk Bayern, Kurt-Eisner-Verein / Rosa Luxemburg Stiftung Bayern, Left Ecological Association (LEA), Naturfreunde Bezirk München.

Zum Vortrag:

Der Referent wird sich mühen … 

1) … die heutigen Bedürfnisse als zum bestehenden System gehörig zu denunzieren. Sie sind auf eine übermächtige Struktur zurückzuführen, die in die Menschen einwandert, sie prägt, hässlich macht. (Hilfestellung durch Zitate aus Agnes Heller: „Theorie der Bedürfnisse“) 

2) …alles zu vermeiden, was ihn als Weltverbesserer durch richtiges Verhalten im Marktgeschehen, als Berater kritischer KonsumentInnen erscheinen lassen könnte. Auch distanziert er sich von allen pfäffischen Belehrungen, die den unteren Schichten den unschicklichen Konsum ankreiden – und von den Produktionsbedingungen, denen sie unterworfen sind, absehen. (Hilfestellung: Karl Marx) 

3) … die Voraussetzung aller kritischer Reflektion über Bedürfnisse, dass der Mensch satt, bekleidet, behaust und versorgt sein muss, nie zu ignorieren. Das schützt davor, voreilig ins Sozialpsychologische zu wechseln. (Hilfestellung: Theodor W. Adorno) 

4) … dennoch daran festzuhalten, dass wahre und falsche Bedürfnisse unterscheidbar sind (Hilfestellung: Herbert Marcuse) – und dass „enormes Bewußtsein“ einen Bruch mit dem Bestehenden impliziert und also etwas fundamental anderes ist als das Postulat der „sozialen Gerechtigkeit“. (Hilfestellung: Karl Marx) 

5) … das Dilemma, den Teufelskreis, nicht zu verschweigen, dass andere Verhältnisse (ohne Konkurrenz, ohne Arbeitstempo im Dienst der Produktivität, ohne Sorge vor dem Absturz ins Elend etc.) gewiss Menschen mit anderen Bedürfnissen erbrächten – wir aber nicht wissen, ob die Sehnsucht nach dem ganz anderen unter Bedingungen heutiger materieller Wirklichkeit je große Potentiale erfassen kann. (Hilfestellung: Agnes Heller, Herbert Marcuse: „Versuch über die Befreiung“) 

6) … immer nachzuweisen, dass Bedürfniskritik stets auf einen Begriff gesellschaftlichen Reichtums insistiert, der antagonistisch zum herrschenden sich verhält, weil er nicht im Entferntesten asketisch ist und deshalb, um der Arbeit zu fliehen, auf all die überflüssigen, dummen, sinnlosen Produkte und Dienstleistungen verzichtet. Wenn Adorno, was selten ist, die befriedete Zukunft doch einmal auspinselt, dann so: „Wenn es einmal kein Monopol mehr gibt, wird sich rasch genug zeigen, dass die Massen den Schund, den die Kulturmonopole, und die jämmerliche Erstklassigkeit, die die praktischen ihnen liefern, nicht ‚brauchen‘.“ („Thesen über Bedürfnisse“)

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